15. Juni 2014
Wie heute von Gott reden? Wer ist er, wie ist er? Gibt es in unserer Sprache noch ein anderes Wort, das so viel missbraucht wurde und wird wie das Wort Gott? „Gott will es“, lautete die Motivation und Begründung für die blutigen Kreuzzüge. „Gott mit uns“, lautete die Inschrift auf dem Koppel deutscher Weltkriegs-Soldaten. Man hat im Namen Gottes gemordet, und das geschieht heute immer noch. Wer ist Gott für uns? Wo können wir ihn finden? Jahrhunderte lang hat man Gott als Erklärung benützt für alles, was man sich nicht erklären konnte. Er war der Lückenbüßer, mit dem man die Löcher in unserem Wissen zu stopfen versuchte. Aber in der heutigen Welt, wo die Wissenschaften die meisten natürlichen Dinge erklären können, kann man nicht mehr sagen, dass Gott schimpft, wenn es donnert. Wird Gott also nicht mehr gebraucht? Oder ist Gott nur noch der Feuerwehrmann, an den man nur denkt, wenn es brennt, in Notsituationen, in denen es mir schlecht geht. Ist Gott für uns wie ein Polizist, der genau überwacht, ob wir uns an die Gebote halten und uns bestraft, wenn wir das nicht tun? Oder ist Gott nur der Aufputz, den wir brauchen, zur Steigerung der Feierlichkeit bei einer Taufe, Erstkommunion, Firmung, Hochzeit, Jubiläum?
Wer ist Gott? Wie ist Gott? Das Vierte Laterankonzil (1215) sagte: „Wir glauben fest und bekennen mit aufrichtigem Herzen, dass es nur einen wahren, ewigen, unermesslichen, unfassbaren und unveränder-lichen, allmächtigen und unaussprechlichen Gott gibt.“ Gott ist demnach wahr, ewig und allmächtig, unermesslich, unfassbar, ja unaussprechlich. Gut 650 Jahre später sagt das Erste Vatikanische Konzil: Gott ist „wesentlich von der Welt verschieden“; er ist „unaussprechlich erhaben über alles, was außer ihm ist und gedacht werden kann“. Praktisch bedeutet das, dass es unmöglich ist, eine Definition Gottes zu geben, die ihm wirklich gerecht würde. Oder anders gesagt: Jedes Bild, das sich der Mensch von Gott macht, weist mehr Unähnlichkeiten als Ähnlichkeiten mit ihm auf.
Aber wir brauchen Bilder, sonst können wir nicht denken und uns nichts vorstellen. Auch die Bibel selbst ist voller Bilder von Gott. Letztlich handelt es sich dabei um Versuche, den Unbeschreiblichen zu beschreiben. Dabei beweist gerade die Vielfalt und Verschiedenartigkeit der Bilder, dass es den Verfassern der Bibel sich durchaus bewusst war, dass letztlich kein Bild, kein Vergleich und keine Vorstellung von Gott seiner Größe gerecht werden kann.
Auch Jesus bedient sich der verschiedensten Bilder, wenn er von Gott redet: als fürsorglicher Vater, als hilfsbereiter Freund, als Gutsbesitzer, der alle weit über ihre Verdienste hinaus entlohnt, als Richter, der sein Herz offen hält für die Bitten der Bedrängten, als Gastgeber, der alle einlädt, als König, der Festmähler veranstaltet.
Gott bleibt letztlich der Unfassbare. Alle Bilder und Vorstellungen von Gott dienen stets nur dazu, um etwas über den auszusagen, der hinter allen Bildern ist und der letztlich unaussprechlich bleibt.
Das gilt auch für die bildhafte Sprache von Gott als dem Dreifaltigen. Diese Formulierung stammt von einem Konzil im 5. Jh., das versuchte etwas über das Wesen Gottes auszusagen. Es ist für uns heute schwierig das zu verstehen: Ein Gott, drei Personen? Wer kann damit etwas anfangen? Vielleicht bringt es uns weiter, wenn wir das Bild „Dreifaltigkeit“ nicht als eine Aussage über das Wesen von Gott verstehen (denn sein Wesen können wir nicht erfassen), sondern als ein Bild für die dreifaltige, dreifache Weise, wie Menschen im Lauf der Geschichte Gott erfahren haben. Er ist der Gott „über uns“, die letzte Autorität, der Schöpfer und Vater aller Dinge, der allem Leben gibt. Er ist der Gott „mit uns“, wie er es gezeigt hat in seinem Sohn, Jesus von Nazareth. In ihm ist Gott uns menschlich nahegekommen und hat uns erklärt, wie er zu uns steht. Und er ist der Gott „in uns“, der als ein Lebensatem, als eine Lebenskraft in der Tiefe unseres Ichs wirkt, uns anspricht (wie wir es am Pfingstfest gefeiert haben). Er ist also ein Gott, der nicht weit weg im Himmel, sondern mitten in unserem Leben anwesend ist, der „Ich-bin-da“ für euch. Ich lasse euch nicht allein. An diesen dreifaltigen Gott glauben wir und zu ihm bekennen wir uns, jedes Mal, wenn wir unser Glaubensbekenntnis aussprechen.